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Fußball-WM: Marokko verschiebt die Plattentektonik des Weltfußballs
Eine Mannschaft, die Talent und Passion vereint, beflügelt von einer ganzen Region: Als erstes afrikanisches und arabisches Land erreicht Marokko ein WM-Halbfinale.
Von Oliver Fritsch, Doha
Der Schrei muss weit zu hören gewesen sein, vielleicht sogar bis Lissabon. Als der Schlusspfiff nach 99 Spielminuten dieses sporthistorische Ereignis besiegelte, das sich im Al-Thumama-Stadion in Doha ereignet hatte, stieg der Geräuschpegel noch einmal mächtig an – dabei hatte man sich als Beobachter vorher schon gefragt, ob das überhaupt noch möglich wäre. Denn die Menge hatte während des gesamten Spiels keine Sekunde lang Ruhe gegeben. Dann, mit dem Schlusspfiff die Erkenntnis: Doch, es war möglich.
Hinter beiden Toren rissen Tausende Fans aus Marokko und anderen Unterstützerländern die Arme hoch. Auf den Oberrängen wehten rote Flaggen mit grünem Stern. Auch die Einheimischen in ihren traditionellen weißen Dishdashas, die sich üblicherweise neutral verhalten, sprangen auf. Alkohol ist verpönt in der Gegend, aber das Rauschmittel Fußball haben sich die Katarer ins Land geholt, mit viel Geld. Nun galt die höchste Eskalationsstufe.
Nach dem Achtelfinalsieg gegen den früheren Weltmeister Spanien gelang Marokko die nächste Überraschung: Im Viertelfinale schlug das Team Portugal, den Europameister von 2016, mit 1:0. Marokko hat gute Fußballer, die Mannschaft ist technisch beschlagen und verteidigt sehr diszipliniert. Ihre große Stärke jedoch ist ihre Leidenschaft, die sie in jede Aktion legt, auf jedem noch so kleinen Fleckchen des Platzes.
Dabei wird das Team bei dieser WM von der gesamten arabischen Region beflügelt. Die Mannschaft hat einen Auftrag erhalten, und sie nimmt ihn an. Nun lässt sich allenfalls noch streiten, ob man betont, dass erstmals eine afrikanische oder eine arabische Nation im Halbfinale einer Fußballweltmeisterschaft steht. Eines aber ist gewiss: Marokko hat die Plattentektonik des Weltfußballs an diesem Tag verschoben.
Mut war angesagt, nicht Verstecken
Dass es nun Marokko als erste Nation Afrikas unter die letzten vier der Welt schafft, ist indes kein Zufall. Denn Marokko ist – fußballerisch betrachtet – das europäischste Land des afrikanischen Kontinents. So gut wie alle Spieler sind in Frankreich oder Spanien beschäftigt. Manche sind Flüchtlingskinder.
In der Szene des Spiels war Sevilla-Stürmer Youssef En-Nesyri auf einem fliegenden Teppich unterwegs, als er in der 42. Minute aufstieg und hoch in den Lüften stand. Diogo Costa, Portugals Tormann, boxte ins Leere. En-Nesyris Kopfball setzte noch mal auf und sprang dann aufwärts ins verlassene Tor. 1:0 für Marokko. Das Tor des Tages.
Es war nicht der typische Treffer eines Außenseiters. Denn er hatte sich angebahnt. Marokko griff an in der ersten Halbzeit; nicht dauerhaft, aber immer, wenn sich die Gelegenheit ergab. Nicht verstecken, sondern Mut war angesagt. Azzedine Ounahi, 22 Jahre alt, die schlaksige Nummer acht, ließ Gegenspieler ins Leere laufen. Hakim Ziyech von Chelsea überzeugte mit Ballfertigkeit.
In der zweiten Halbzeit verteidigte Marokko lustvoll. In jedem Zweikampf, in jedem Duell ging es um alles. Giftig, aber nicht unfair. Die Portugiesen, die erst nach dem Rückstand die Initiative ergriffen, waren zwar durchgehend am Ball, aber oft weit weg vom Tor. Ihre Flanken waren unscharf – und Marokkos Defensive undurchdringlich wie das Innere eines Granatapfels.
Bilder für die Ewigkeit
Die Gewinnermannschaft schmückte sich derweil mit einer zweigeteilten Fahne: Der eine Teil bestand aus der eigenen, der andere aus der Flagge Katars. Und wieder feierten Spieler mit ihren Müttern, Sofiane Boufal tanzte mit seiner am Spielfeldrand. Ein Mann im Fußballtrikot und eine Frau mit Hidschab – Bilder für die Ewigkeit.
zeit.de
traduction:
Coupe du monde de football : le Maroc déplace les plaques
tectonique du football mondial
Une équipe qui allie talent et passion, inspirée par toute une région : le Maroc est le premier pays africain et arabe à atteindre une demi-finale de Coupe du monde.
Le cri a dû être entendu de loin, peut-être même jusqu'à Lisbonne. Lorsque le coup de sifflet final a retenti après 99 minutes de jeu pour marquer cet événement sportif historique, qui s'était déroulé au stade Al Thumama de Doha, le niveau de bruit a de nouveau augmenté, même si les observateurs s'étaient déjà demandé si cela était même possible. Parce que la foule ne s'était pas calmée une seconde de tout le match. Puis, au coup de sifflet final, le constat : Oui, c'était possible.
Derrière les deux buts, des milliers de supporters du Maroc et d'autres pays supporters ont levé les bras. Des drapeaux rouges avec une étoile verte flottaient dans les étages supérieurs. Les habitants dans leurs dishdashas blancs traditionnels, qui se comportent généralement de manière neutre, se sont également levés.
Après avoir battu l'Espagne, ancienne championne du monde, en huitièmes de finale, le Maroc a créé la surprise suivante : en quart de finale, l'équipe a battu le Portugal, champion d'Europe 2016, 1-0. Le Maroc a de bons footballeurs, l'équipe est techniquement douée et défend très disciplinée. Sa grande force, cependant, est sa passion, qu'elle met dans chaque action, sur chaque petit point du terrain.
L'équipe s'inspirera de toute la région arabe lors de cette Coupe du monde. L'équipage a reçu une mission et ils l'acceptent. Au mieux, il est encore discutable de savoir si l'on souligne que pour la première fois une nation africaine ou arabe est en demi-finale d'une Coupe du monde de football. Mais une chose est sûre : le Maroc a fait basculer ce jour-là les plaques tectonique du football mondial.
Le courage était de mise, ne pas se cacher
Ce n'est pas un hasard si le Maroc est désormais le premier pays africain à figurer parmi les quatre derniers au monde. En matière de football, le Maroc est le pays le plus européen du continent africain. Presque tous les joueurs jouent en France ou en Espagne.
Dans la scène du match, l'attaquant de Séville Youssef En-Nesyri était sur un tapis magique alors qu'il se levait et était haut dans les airs à la 42e minute. Diogo Costa, gardien du Portugal, a boxé dans l'espace. La tête d'En-Nesyri atterrit à nouveau puis rebondit dans le but désert. 1-0 pour le Maroc. Le but du jour.
Ce n'était pas un but typique d' un outsider. Parce qu'on le sentait venir. Le Maroc a attaqué en première mi-temps ; pas de façon permanente, mais chaque fois que l'occasion s'en présentait. Ne se cachant pas, mais le courage s'annonçait. Azzedine Ounahi, 22 ans, le dégingandé numéro 8, a laissé ses adversaires courir dans le vide. Hakim Ziyech de Chelsea impressionné par ses talents de balle.
En seconde période, le Maroc a défendu vigoureusement. Dans chaque duel, dans chaque duel, tout était en jeu. Toxique, mais pas unfair. Les Portugais, qui n'ont pris l'initiative qu'après être passés derrière, étaient constamment sur le ballon, mais souvent loin du but. Leurs flancs étaient flous - et la défense du Maroc aussi impénétrable que l'intérieur d'une grenade.
Des images pour l'éternité
Pendant ce temps, l'équipe gagnante s'est parée d'un drapeau en deux parties : une partie était constituée de son propre drapeau, l'autre du drapeau qatari. Et encore des joueurs fêtes avec leurs mères, Sofiane Boufal a dansé avec la sienne. Un homme en maillot de football et une femme avec un hijab – des images pour l'éternité.
Eine Mannschaft, die Talent und Passion vereint, beflügelt von einer ganzen Region: Als erstes afrikanisches und arabisches Land erreicht Marokko ein WM-Halbfinale.
Von Oliver Fritsch, Doha
Der Schrei muss weit zu hören gewesen sein, vielleicht sogar bis Lissabon. Als der Schlusspfiff nach 99 Spielminuten dieses sporthistorische Ereignis besiegelte, das sich im Al-Thumama-Stadion in Doha ereignet hatte, stieg der Geräuschpegel noch einmal mächtig an – dabei hatte man sich als Beobachter vorher schon gefragt, ob das überhaupt noch möglich wäre. Denn die Menge hatte während des gesamten Spiels keine Sekunde lang Ruhe gegeben. Dann, mit dem Schlusspfiff die Erkenntnis: Doch, es war möglich.
Hinter beiden Toren rissen Tausende Fans aus Marokko und anderen Unterstützerländern die Arme hoch. Auf den Oberrängen wehten rote Flaggen mit grünem Stern. Auch die Einheimischen in ihren traditionellen weißen Dishdashas, die sich üblicherweise neutral verhalten, sprangen auf. Alkohol ist verpönt in der Gegend, aber das Rauschmittel Fußball haben sich die Katarer ins Land geholt, mit viel Geld. Nun galt die höchste Eskalationsstufe.
Nach dem Achtelfinalsieg gegen den früheren Weltmeister Spanien gelang Marokko die nächste Überraschung: Im Viertelfinale schlug das Team Portugal, den Europameister von 2016, mit 1:0. Marokko hat gute Fußballer, die Mannschaft ist technisch beschlagen und verteidigt sehr diszipliniert. Ihre große Stärke jedoch ist ihre Leidenschaft, die sie in jede Aktion legt, auf jedem noch so kleinen Fleckchen des Platzes.
Dabei wird das Team bei dieser WM von der gesamten arabischen Region beflügelt. Die Mannschaft hat einen Auftrag erhalten, und sie nimmt ihn an. Nun lässt sich allenfalls noch streiten, ob man betont, dass erstmals eine afrikanische oder eine arabische Nation im Halbfinale einer Fußballweltmeisterschaft steht. Eines aber ist gewiss: Marokko hat die Plattentektonik des Weltfußballs an diesem Tag verschoben.
Mut war angesagt, nicht Verstecken
Dass es nun Marokko als erste Nation Afrikas unter die letzten vier der Welt schafft, ist indes kein Zufall. Denn Marokko ist – fußballerisch betrachtet – das europäischste Land des afrikanischen Kontinents. So gut wie alle Spieler sind in Frankreich oder Spanien beschäftigt. Manche sind Flüchtlingskinder.
In der Szene des Spiels war Sevilla-Stürmer Youssef En-Nesyri auf einem fliegenden Teppich unterwegs, als er in der 42. Minute aufstieg und hoch in den Lüften stand. Diogo Costa, Portugals Tormann, boxte ins Leere. En-Nesyris Kopfball setzte noch mal auf und sprang dann aufwärts ins verlassene Tor. 1:0 für Marokko. Das Tor des Tages.
Es war nicht der typische Treffer eines Außenseiters. Denn er hatte sich angebahnt. Marokko griff an in der ersten Halbzeit; nicht dauerhaft, aber immer, wenn sich die Gelegenheit ergab. Nicht verstecken, sondern Mut war angesagt. Azzedine Ounahi, 22 Jahre alt, die schlaksige Nummer acht, ließ Gegenspieler ins Leere laufen. Hakim Ziyech von Chelsea überzeugte mit Ballfertigkeit.
In der zweiten Halbzeit verteidigte Marokko lustvoll. In jedem Zweikampf, in jedem Duell ging es um alles. Giftig, aber nicht unfair. Die Portugiesen, die erst nach dem Rückstand die Initiative ergriffen, waren zwar durchgehend am Ball, aber oft weit weg vom Tor. Ihre Flanken waren unscharf – und Marokkos Defensive undurchdringlich wie das Innere eines Granatapfels.
Bilder für die Ewigkeit
Die Gewinnermannschaft schmückte sich derweil mit einer zweigeteilten Fahne: Der eine Teil bestand aus der eigenen, der andere aus der Flagge Katars. Und wieder feierten Spieler mit ihren Müttern, Sofiane Boufal tanzte mit seiner am Spielfeldrand. Ein Mann im Fußballtrikot und eine Frau mit Hidschab – Bilder für die Ewigkeit.
zeit.de
traduction:
Coupe du monde de football : le Maroc déplace les plaques
tectonique du football mondial
Une équipe qui allie talent et passion, inspirée par toute une région : le Maroc est le premier pays africain et arabe à atteindre une demi-finale de Coupe du monde.
Le cri a dû être entendu de loin, peut-être même jusqu'à Lisbonne. Lorsque le coup de sifflet final a retenti après 99 minutes de jeu pour marquer cet événement sportif historique, qui s'était déroulé au stade Al Thumama de Doha, le niveau de bruit a de nouveau augmenté, même si les observateurs s'étaient déjà demandé si cela était même possible. Parce que la foule ne s'était pas calmée une seconde de tout le match. Puis, au coup de sifflet final, le constat : Oui, c'était possible.
Derrière les deux buts, des milliers de supporters du Maroc et d'autres pays supporters ont levé les bras. Des drapeaux rouges avec une étoile verte flottaient dans les étages supérieurs. Les habitants dans leurs dishdashas blancs traditionnels, qui se comportent généralement de manière neutre, se sont également levés.
Après avoir battu l'Espagne, ancienne championne du monde, en huitièmes de finale, le Maroc a créé la surprise suivante : en quart de finale, l'équipe a battu le Portugal, champion d'Europe 2016, 1-0. Le Maroc a de bons footballeurs, l'équipe est techniquement douée et défend très disciplinée. Sa grande force, cependant, est sa passion, qu'elle met dans chaque action, sur chaque petit point du terrain.
L'équipe s'inspirera de toute la région arabe lors de cette Coupe du monde. L'équipage a reçu une mission et ils l'acceptent. Au mieux, il est encore discutable de savoir si l'on souligne que pour la première fois une nation africaine ou arabe est en demi-finale d'une Coupe du monde de football. Mais une chose est sûre : le Maroc a fait basculer ce jour-là les plaques tectonique du football mondial.
Le courage était de mise, ne pas se cacher
Ce n'est pas un hasard si le Maroc est désormais le premier pays africain à figurer parmi les quatre derniers au monde. En matière de football, le Maroc est le pays le plus européen du continent africain. Presque tous les joueurs jouent en France ou en Espagne.
Dans la scène du match, l'attaquant de Séville Youssef En-Nesyri était sur un tapis magique alors qu'il se levait et était haut dans les airs à la 42e minute. Diogo Costa, gardien du Portugal, a boxé dans l'espace. La tête d'En-Nesyri atterrit à nouveau puis rebondit dans le but désert. 1-0 pour le Maroc. Le but du jour.
Ce n'était pas un but typique d' un outsider. Parce qu'on le sentait venir. Le Maroc a attaqué en première mi-temps ; pas de façon permanente, mais chaque fois que l'occasion s'en présentait. Ne se cachant pas, mais le courage s'annonçait. Azzedine Ounahi, 22 ans, le dégingandé numéro 8, a laissé ses adversaires courir dans le vide. Hakim Ziyech de Chelsea impressionné par ses talents de balle.
En seconde période, le Maroc a défendu vigoureusement. Dans chaque duel, dans chaque duel, tout était en jeu. Toxique, mais pas unfair. Les Portugais, qui n'ont pris l'initiative qu'après être passés derrière, étaient constamment sur le ballon, mais souvent loin du but. Leurs flancs étaient flous - et la défense du Maroc aussi impénétrable que l'intérieur d'une grenade.
Des images pour l'éternité
Pendant ce temps, l'équipe gagnante s'est parée d'un drapeau en deux parties : une partie était constituée de son propre drapeau, l'autre du drapeau qatari. Et encore des joueurs fêtes avec leurs mères, Sofiane Boufal a dansé avec la sienne. Un homme en maillot de football et une femme avec un hijab – des images pour l'éternité.
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